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ATLAS
DER
OFFICINELLEN PFLANZEN.
DARSTELLUNG UND BESCHREIBUNG
DER
IM ARZNEIBÜCHE FÜR DAS DEUTSCHE REICH ERWÄHNTEN GEWÄCHSE.
ZWEITE VERBESSERTE AUFLAGE
VON
DARSTELLUNG UND BESCHREIBUNG
SÄMMTLICHER IN DER PHARMACOPOEA BOROSSICA AUFGEFÜHRTEN
OFFICINELLEN GEWÄCHSE
m 0. C. BERG
C. F. SCHMIDT.
HERAUSGEGEBEN DURCH
D« ARTHUR MEYER
DR- KARL SCHUMANN
PROFESSOR AN DER UNIVERSITÄT IN MARBURG. PROFESSOR UND KUSTOS AM KGL. BOT. MUSEUM IN BERLIN.
MIT TAFEL I— CLXII,
LEIPZIG
VERLAG VON ARTHUR FELIX 1891/1902.
ATLAS
DER
OFFICINELLEN PFLANZEN.
DARSTELLUNG UND BESCHREIBUNG
IM ARZNEIBÜCHE FÜR DAS DEUTSCHE REICH ERWÄHNTEN GEWÄCHSE.
ZWEITE VERBESSERTE AUFLAGE
VON
DARSTELLUNG UND BESCHREIBUNG
SÄMMTLICHEE IN DER PHARMACOPOEA BORUSSICA AUFGEFÜHRTEN
OFFICINELLEN GEWÄCHSE
DR 0. C. BERG C.F. SCHMIDT.
HERAUSGEGEBEN DURCH
DR ARTHUR MEYER
PROFESSOR AN DER UNIVERSITÄT MARBURG.
DR K. SCHUMANN
PROFESSOR UND KUSTOS AM KGL. BOT. MUSEUM IN BERLIN.
BAND I.
DIE SYMPETALEN.
MIT TAFEL I— XLIV.
LEIPZIG
VERLAG VON ARTHUR FELIX 1893.
Vorwort zur ersten Auflage.
Der Unterzeichnete hält sich für verpflichtet, die Motive zu entwickeln, welche ihn veranlassten, unter der künstlerischen Mitwirkung des Pflanzenmalers Herrn Schmidt eine Darstellung und Beschreibung der offizineilen Pflanzen in das Leben zu rufen, obgleich schon mehrere ähnliche Bilderwerke bestehen. Abgesehen von den älteren Werken, dem BlachwelV sehen Herbar, den PZewc^’schen Abbildungen und den- jenigen neueren, welche sich begnügen, zu den aus anderen Werken entnommenen Copieen einen Text zu liefern, kommen kaum 6 Werke in Betracht, welche einen ähnlichen Plan verfolgen. Hayne' s vorzüg- liches Werk, dem sich das 'unserige in Format und Beschreibung möglichst nahe angeschlossen hat, ist durch ganze Reihen pharmazeutisch unwichtiger Pflanzen überladen, überdem unfertig und seit seinem Erscheinen (vom Jahre 1805 an) theils durch technische, theils durch wissenschaftliche Fortschritte ver- altet. Die Düsseldorfer und Wagner ’s Abbildungen, durch ihr Folioformat begünstigt und durch schöne, häufig prachtvolle Habitusbilder ausgezeichnet, geben gar keine oder nur unzureichende Zergliederungen und sind dieserhalb zum Studium geradezu unbrauchbar. Die Werke von Guimpel und Schlechtendal , von Brandt , Batzelurg und Phöhus (letzteres mit Ausnahme des kryptogamischen Theils) entlehnen ohne Angabe der Quelle aus dem Hayne' sehen, dem Düsseldorfer oder anderen Werken die Abbildungen und sind nur eigenthümlich hinsichtlich des Textes. Die Medical botany von Woodmlle , auch in der neueren Bearbeitung von Hooher , ist ganz unbedeutend. Von den erwähnten Werken unterscheidet sich das unserige besonders dadurch, dass es das Material nach den natürlichen Familien behandelt und ordnet. Ausserdem sucht es die abzubildenden Pflanzen oder Pflanzentheile nicht allein so naturgetreu wie möglich, sondern auch in solcher Lage darzustellen, dass die Kennnzeichen der Art sogleich in’s Auge fallen, erstrebt es ein getreues, weder geschmeicheltes noch leichenhaftes Colorit, widmet den Zergliederungen die grösste Sorgfalt und Genauigkeit und liefert endlich mit alleiniger Ausnahme der verkleinerten Habitus- bilder von Scorodosma foetidum Bge. und Dorema Ammoniacum Don , welche der Arbeit von Borszczow entlehnt sind, der Abbildung von Euphorbia Canariensis L., die uns vom Herrn Prof. II. Schacht in Bonn gütigst mitgetheilt, auch bis jetzt noch nicht publiziert ist, und einiger Entwicklungsstufen von Claviceps purpurea Tulasne nur Original- Abbildungen.
Was den Text anhelangt, so wurden die Familien ausführlich geschildert, die Gattungen mit dem natürlichen Charakter versehen, bei beiden aber zur schnelleren Uebersicht die wesentlichen Kennzeichen durch den Druck ausgezeichnet, dann folgt der Artcharakter, auf diesen die chronologisch geordnete
Synonymie, in welcher zugleich die Geschichte der Pflanze liegt, hierauf die deutsche Benennung und das Vorkommen. Daran schliesst sich eine eingehende Beschreibung der Pflanze und, wenn es der Raum erlaubte, ihre Histologie und eine Zusammenstellung der nahe stehenden Gattungen und Arten, ferner die Pharmakognosie der Drogue und deren chemische Constitution.
Verf. ist sich wohl bewusst, diesen Plan nicht völlig consequent durchgeführt zu haben; theils liegt dies an dem zerrissenen Erscheinen der zusammengehörenden Pflanzen, theils an der technischen Einrichtung des Werkes, da es nach jedem beliebigen System sollte geordnet und eingebunden werden können und somit für jede Tafel Abbildung ein Blatt Text liefern musste. Der Text musste bei der ein- zigen offizin eilen Art einer Familie mehr zusammengedrängt werden, da Familie und Gattung zu beschreiben waren, während dort, wo mehre Gattungen einer Familie oder gar mehre Arten einer Gattung zu schildern waren, sich der Raum mehr und mehr erweiterte und zu einer eingehenderen Beschreibung benutzt werden konnte.
Auch in Bezug auf die Vollständigkeit der Abbildungen lassen sich mancherlei Ausstellungen machen, denen jedoch nicht zu entgehen war, theils fehlte das Material zur erschöpfenden Darstellung, theils konnte wegen des durch das Quartformat beschränkten Raumes nicht Alles abgebildet werden, was darzustellen wünschenswerth gewesen wäre. Es hätten auch die Abbildungen der Droguen nicht fehlen sollen, aber dann wäre das Werk 2 — 3mal voluminöser und um so viel theurer geworden, welcher Umstand wieder der Verbreitung desselben entgegentrat. Da überdem diesem Mangel durch ein anderweitiges Unternehmen abgeholfen werden wird, so konnte Verf. sich darüber fortsetzen.
Die Grenzen dieses Werkes sind, da sich die abgebildeten Pflanzen nur auf die 6te und 7te Auflage der Preussischen Pharmakopöa beziehen, sehr eng gesteckt, aber Verf. erklärt sich nicht abgeneigt, wenn das betheiligte Publikum die Herausgabe durch seine Theilnahme unterstützt, auch noch die Pflanzen, welche die neue Pharmacopoea Germanica mehr enthält, etwa 48 Tafeln, also einen Band nach derselben Ausführung und Bearbeitung herauszugeben.
Das Material für die Abbildungen der Stammpflanzen unserer offizinellen Droguen war zuweilen nur sehr schwierig, zuweilen gar nicht zu beschaffen. Die Stammpflanzen des kleinen Galgant, des Sia- mesischen Gutti, des Sternanis, des Westindischen Elemi sind noch gar nicht bekannt und daher hier nur durch verwandte Pflanzen repräsentiert ; Curcuma Zedoaria war im blühenden Zustande weder lebend noch getrocknet aufzutreiben und ist daher durch die auch in dem Rhizom nahe verwandte Curcuma aromatica ersetzt, welche im hiesigen Universitätsgarten zum Blühen gelangte; als Guttifere wurde eine neue Art abgebildet, die mit männlichen, weiblichen Blüthen und Frucht im hiesigen Königl. Herbar vertreten war, während Hebradendron cambogioides und andere stereotyp abgebildete, keineswegs jedoch das offizineile Siam-Gutti liefernde Guttiferen in den Herbarien nur sehr verstümmelt vorhanden sind. Unsere Japanische Expedition hat leider gar Nichts geliefert.
Für die freundliche Unterstützung, die dem Verf. in Bezug auf die Litteratur durch den Biblio- thekar an der hiesigen Königl. Universität, Herrn Dr. Pritzel , in Bezug auf die Pflanzen von den beiden hiesigen Königl. botanischen Gärten, dem hiesigen Königl. Herbar, durch Herrn Prof. D. Hanbury in London, Herrn Prof. E. Fries in Upsala, Herrn Gartendirektor Kramer in Flottbeck, Herrn Prof. Schacht in Bonn, Herrn Dr. Hohenacker in Kirchheim u/T., ferner zumal durch das reiche Herbar des Herrn Dr. Sonder in Hamburg und durch das Wiener Herbar geworden ist, ohne welche es nicht möglich gewesen wäre, viele exotische und auch einige einheimische Pflanzen abzubilden, deren Bezugsquelle jedesmal gewissenhaft angegeben ist: so sagt ihnen hiermit Verf. öffentlich seinen verbindlichsten Dank.
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Da die Abbildungen, um die Tracht der Pflanze auch naturgetreu wiederzugeben, so viel als möglich nach lebenden Exemplaren hergestellt werden sollten, so konnte selbstverständlich eine systematische An- ordnung bei der Publikation der einzelnen Hefte nicht eingehalten werden, als die Pflanzen eben, wie sie sich darboten, abgebildet werden mussten. Indessen ist von Anfang an auf eine spätere systematische Anordnung bedacht genommen und hat jedes Textblatt mit der dazu gehörigen Abbildung gleiche Nummer. Dieserhalb folgen mehre Register. Das erste ist Inhaltsverzeichnis des vierten Bandes ; das zweite alphabetisch geordnet enthält auch die wichtigsten Synonyme der abgebildeten Pflanzen, es dient zur Orientirung, ob die Pflanze aufgenommen ist oder nicht ; das dritte giebt die Anordnung nach dem System von Endlicher; das vierte endlich die Reihenfolge nach der in meinem Handbuch durch geführten Anord- nung. Nach jeder der beiden letzteren Listen kann der Buchbinder die Tafeln und Text ordnen und nach der dort erfolgten Angabe in 4 Bände einbinden. Zum schnelleren Auffinden muss den Tafeln die in dem betreffenden Register dem Namen Vorgesetzte Zahl nachträglich hinzugefügt werden.
Berlin, im August 1863.
O. Berg.
Vorwort zur zweiten Auflage.
Man darf wohl behaupten, dass es der Wunsch aller Pharmakognosten war, dieses längere Zeit vergriffene Werk, seiner vorzüglichen, bisher noch unübertroffenen Abbildungen der Medicinalpflanzen wegen, wieder neu aufgelegt zu sehen. Es war den Unterzeichneten deshalb eine Freude, die Heraus- gabe der zweiten Auflage übernehmen zu dürfen.
Die Umgestaltung, welche die Heilkunst und die Pflanzenkunde im Laufe der 30 Jahre, die seit Herausgabe der ersten Auflage verflossen sind, erfahren haben, brachte es mit sich, dass der Inhalt des Werkes nach zwei Richtungen hin geändert werden musste. Zuerst musste es an das neue Arzneibuch angepasst werden, was in der Weise durchgeführt wurde, dass in den »Atlas der offizinellen Pflanzen« alle diejenigen Gewächse Aufnahme fanden, welche im Arzneibuche für das deutsche Reich (III. Ausgabe) erwähnt sind und daneben alle diejenigen, welche zu offizinellen Präparaten dieses Gesetzbuches in näherer Beziehung stehen. Eine grössere Anzahl von Tafeln konnte aus der alten Auflage des Atlas übernom- men werden; dass sie trotz des Fortschrittes, welchen die Botanik in den 30 Jahren gemacht hat, keiner Änderung bedurften, ist ein vorzügliches Zeugniss für ihre Vortrefiflichkeit. Die neu hinzugekommenen Tafeln si nd, wie die im ersten Bande schon vorliegenden Abbildungen von Palaquium Gutta , Strophanthus , Marsdenia, Cinchona , Artemisia maritima zeigen, den alten Tafeln gleichwerthig ausgefallen. Im vorigen Jahre wurde zu unserem Schmerze unser treuer Mitarbeiter, der Pflanzenzeichner C. F. Schmidt, aus dem Leben abgerufen; es gelang uns in Frau Toni Gürke, welche sich durch die besten Leistungen auf dem
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Gebiete der bildlichen Darstellung von Pflanzen einen grossen Ruf verschafft bat, einen Ersatz zu ge- winnen. Die von der Verlagsbuchhandlung vergenommene Vergrösserung des Formates der Tafeln ist wohl der künstlerischen Wirkung derselben sehr zu Statten gekommen.
Eine vollkommene Umarbeitung musste der Text erfahren. Was Berg aus äusseren Gründen nicht konnte, die Pflanzen in systematischer Anordnung auf einander folgen zu lassen, ist jetzt trotz der neu hinzugekommenen Tafeln durchgeführt worden. Im allgemeinen ist das System Eichler’s der Anord- nung zu Grunde gelegt; die Gattungen folgen sich nach Bentham und Hooker. In der Benennung haben wir uns an die vom Arzneibuche gewählten Namen angeschlossen; doch ist, wo es nöthig war, der nach den neueren Regeln der Nomenklatur zu wählenden Namen am Ende der Artikel angegeben worden. Die Beschreibung der Species erfolgte unter sorgfältiger Berücksichtigung der gegenwärtigen Kenntnisse der Sprossmorphologie. Bezüglich der Litteraturangaben ist hervorzuheben, dass die vorlinnöische Li- teratur nicht mehr berücksichtigt wurde. Besondere Sorgfalt haben wir der Mittheilung der geographischen Verbreitung der offizmellen Gewächse zugewandt.
Die Angaben über die Chemie der Pflanzen, welche in der alten Auflage hie und da einen breiten Raum einnahmen, sind jetzt weggelassen, da sie relativ schnell veralten und dann bald in Widerspruch mit den Angaben der Pharmakognosien und pharmazeutischen Chemien treten würden, zu deren Ergänzung dieser Atlas naturgemäss herbeigezogen werden wird.
Am Schlüsse des Werkes wird ein alphabetisches Verzeichniss über die Namen der Stammpflanzen, der Drogen und der erwähnten Chemikalien gegeben werden, sowie eine systematische Übersicht aller abgebildeten Gewächse. «
Zu diesem »Atlas der offizineilen Pflanzen« soll ein Supplement erscheinen, in welches noch eine Reihe medicinisch wichtiger Gewächse und die technisch wichtigen Pflanzen Aufnahme finden sollen.
Marburg und Berlin, im August 1893.
Arthur Meyer.
K. Schumann.
Namenregister der Pflanzen,
Tafel
XLIV. Arctostaphylos Uva ursi Spr. . . .
VI. Arnica montana L
III. Artemisia Absinthium L
IV. A. maritima L. var. StechmannianaBess.
XXIX. Atropa Belladonna L
XXVIII. Capsicum annuum L
XIII. Cinchona Ledgeriana Moens . . .
XIV. C. succirubra Pav
XVI. Citrullus Colocyntbis Scbrad. . . .
VII. Cnicus benedictus L
XXX. Datura Stramonium L
XXVII. Digitalis purpurea L
XXXVII. Erythraea Centaurium Pers
XL. Praxinus Ornus L
XXXVIII. Gentiana lutea L
XXXI. Hyoscyamus niger L
I. Inula Helenium L
XXXIÜ.a.b. Ipomoea Purga Hayne
IX. Lactuca virosa L
XVIH. Lavandula vera DC
XVII. Lobelia inflata L
XXXIV. Marsdenia Cundurango Rchb. . . .
Tafel Seite
n. Matricaria Chamomilla L 6
XXIII. Melissa officinalis L. 63
XIX. Mentha piperita L. ....... 54
XX. Mentha silvestris L. var. crispa Bth. . 56
XXXIX. Menyanthes trifoliata L 112
XXXII. Nicotiana Tabacum L 90
XLI. Olea europaea L 119
XLIII. Palaquium Gutta Burck 125
XV. Psychotria Ipecacuanha M. Arg. . . 40
XXV. Rosmarinus officinalis L 68
XXIV. Salvia officinalis L 65
XI. Sambucus nigra L 29
XXXV. Strophanthus hispidus DC 97
XXXVI. Strychnos Nux vomica L 104
XLII. Styrax Benzoin Dryand. 122
VIII. Taraxacum officinale Web 19
XXI. Thymus Serpyllum L 58
XXII. Thymus vulgaris L 61
V. Tussilago Farfara L 12
XII. Uncaria Gambir Roxb 34
X. Valeriana officinalis L 25
XXVI. Verbascum thapsiforme Sehr. ... 72
Seite
128
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8
10
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I. ABTHEILUNG: ANGIOSPERMAE.
Samenanlagen (Ovula) in einem geschlossenen mit Narben versehenen Stempel. Der Embryosack hat an der Seite, welche dem Keimmund der Samenanlage zugekehrt ist, eine Eizelle und zwei Gehülfinnen; in der Regel befinden sich am gegenüberliegenden Ende 3 Antipodenzellen; aus der Eizelle wird der Keimling (embryo), dessen Würzelchen stets auf den Keimmund zugekehrt ist. Die Übertragung des Be- fruchtungsstoffes geschieht durch den Pollenschlauch.
I. Classe: Dicotyleae.
Der Keimling hat fast stets 2 Keimblätter. Die Gefässhündel sind bei fast allen holzigen und vielen krautigen Pflanzen in einem Kreise angeordnet; sie werden durch Zwischenkambium verbunden und sind zu unbegrenztem Dickenwachsthume befähigt. Die Blätter sind fast stets fieder- oder fingernervig. In den Bliithen herrscht die 5-Zahl vor, nicht selten sind aber auch viergliedrige Blüthen vorhanden.
I. Unterclasse: Sympetalae.
Zwei Blüthenhiillkreise , Kelch und Krone, sind entwickelt; die Glieder der letzteren sind unter sich verbunden*).
I. Reihe; Aggregatae.
Kelch, Blumenkrone und Staubgefässe sind typisch fünfzählig; der Fruchtknoten aus 2 — 3 Fruchtblättern bestehend ist einfächrig mit einer Samenanlage. Der Kelch ist nicht selten rudimentär oder wächst erst später häufig zu einem Flugapparate oder einem anderen Verbreitungsorgane (Pappus) aus. Die Staub- gefässe sind immer der Blumenkrone angewachsen, ihre Zahl ist zuweilen gemindert. Die Bltithenstände sind häufig kopfig.
*) Dieser Charakter ist nicht ganz durchgreifend , es giebt unter den Sympetalen Gattungen mit freien Blumen- blättern, wie z. B. Oxycoccos, Rhododendron etc. ; in der zweiten Unterclasse wiederum kommen Gattungen mit verbundenen Blumenblättern vor, z. B. Cusparia bei den Rutaceen, Ilex etc.
Berg u. Schmidt, Officinelle Gewächse. J
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1. Familie: Compositae Vaillant.
Synanthereae Rieh. Asteraceae Lindl. Cassiniaceae Schultz Bip.
Die Blüthen sind vollständig oder unvollständig, seltener geschlechtslos, einem gemeinschaftlichen Bliithenboden (receptaculum commune) aufgesetzt; von einem gemeinschaftlichen Hüllkelche (pericliniiun) eng umschlossen, bilden sie ein Köpfchen (capitulum) — - das auch Blüthenkörbchen (anthodium) genannt wird. Der Bliithenboden ist flach oder gewölbt, dicht oder hohl, mit Deckblättern der Blüthen (bracteae, bracteolae, paleae) besetzt oder nackt. Der gemeinschaftliche Hüllkelch wird aus Blättern von der Natur der Hochblätter zusammengesetzt. Bezüglich der Geschlechtsvertheilung kommen in den Köpfchen folgende Verhältnisse vor: Alle Bliithen sind gleichgestaltet und zwittrig und die Blumenkronen sind röhren- oder trichterförmig (capitula discoidea) , oder zungenförmig (cap. ligulata) ; oder die inneren Blüthen sind wie die äusseren röhrenförmig, die letzteren aber oft dünner und weiblich (cap. disciformia) ; endlich können die inneren zwittrig und röhrenförmig sein und die äusseren zungenförmig und weiblich (cap. radiata). Die inneren Blüthen heissen dann Scheiben-, die äusseren Strahlenblüthen. Seltener sind geschlechtslose Blüthen, noch seltener sind die Köpfchen diclinisch. Der Fruchtknoten der Blüthen ist unterständig und besteht wegen der paarigen Narben aus 2 median gestellten Fruchtblättern; er ist einfächrig und um- schliesst eine am Grunde befestigte, aufrechte, gegenläufige Samenanlage. Der Kelch ist oberständig, selten sind 5 gesonderte mit den Blumenkronenzipfeln wechselnde Elemente deutlich ausgeprägt (Sphenogyne) , die dann so orientirt sind, dass 2 auf das Deckblatt, 3 auf die Axe zugewendet sind; häufiger fehlt er ganz oder wird aus einer unbestimmten Zahl von Haaren, Borsten oder Schuppen gebildet; bei vielen wächst er später zu einer aus haar- oder federförmigen Strahlen zusammengesetzten Haarkrone aus (Pappus) . Die Blumenkrone ist verwachsenblättrig, entweder aktinomorph röhren- oder trichterförmig mit fünf-(vier)zipf- ligem Saume und klappiger Knospenlage, oder zygomorph und dann meist zungenförmig und drei- bis fünf- zähnig, seltener deutlich zweilippig, wobei die Oberlippe zwei-, die Unterlippe dreizähnig ist. Die 5 Staub- gefässe wechseln in den aktinomorphen Bliithen mit den Kronenzipfeln, sie sind in der Röhre angeheftet: die Fäden sind am Grunde meist frei, selten einbrüdrig verbunden ; die Staubbeutel sind mit einander zu einer Röhre verklebt, sie haben zwei Fächer, jedes Fach zwei Fächerchen, häufig besitzen sie an der Spitze ein Anhängsel; am Grunde sind die Fächer entweder stumpf, spitz oder geschwänzt; sie springen auf der Innen- seite mit zwei Längsspalten auf; die Pollenkömer sind oft kugelig, entweder glatt oder höckerig, oft werden sie durch Fegehaare des Griffels aus den Fächern herausgebürstet. Der Griffel wird am Grunde von einer Scheibe mit wulstig verdicktem Rande umgeben (Nektarkragen), die Honig absondert; er ist stielrund, an der Basis zuweilen ebenso wie an der Spitze verdickt und läuft in zwei Narben aus , die auf der Innen- seite flach oder rinnig vertieft, am Rande mit Papillen besetzt sind ; seltener, besonders in gewissen sterilen Blüthen, sind die Narben verbunden. Bei den rein männlichen Blüthen wird der Griffel vermisst oder es kann noch ein Rudiment nachgewiesen werden ; in den weiblichen Blüthen sind die Staubgefässe zuweilen als kurze Fäden noch deutlich sichtbar. Die Frucht ist ein Achaenium : sie ist einfächrig, einsamig, nicht aufspringend, trocken, selten fleischig, von einem verschieden gestalteten Pappus, der bleibend oder ab- fällig ist, gekrönt, am Grunde mit einem Schnabel versehen oder ungeschnäbelt. Der Same ist aufrecht mit dünner häutiger Samenschale und oft an die Fruchthaut angewachsen ; Nährgewebe fehlt. Der Keim- ling ist gerade, die Keimblätter sind planconvex, zuweilen halbstielrund, flach aneinandergelegt, seltener leicht eingerollt, das Würzelchen ist klein, nach unten gewendet.
Einjährige oder ausdauernde Kräuter, seltener Sträucher, sehr selten Bäume mit einfacher oder ver- zweigter oft unterirdischer Hauptaxe und spiral gestellten, seltener gegen- oder wirtelständigen, neben- blattlosen, ganzen oder getheilten einfachen Blättern. Die Köpfchen sind meist viel-, selten arm-, noeh seltener einbliithig, zuweilen zusammengesetzt und schliessen entweder die Hauptaxe ab, oder sind seiten- ständig und bilden dann oft vielfach zusammengesetzte rispige Blüthenstände , die unter Umständen in Wickeln auslaufen können.
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Die grösste aller Pflanzenfamilien umfasst nahezu 10 000 Arten, welche über die ganze Erde zerstreut sind. Die meisten wachsen in der gemässigten und der subtropischen Zone.
Die officinellen Compositen gehören in folgende Tribus:
TRIBUS I. Iimleae Cass. Köpfchen mit Scheiben- und Strahlenblüthen versehen, die ersteren zwittrig, die letzteren weiblich. Hüllkelch meist vielreihig; gemeinschaftlicher Blüthenboden nackt oder spreublättrig. Strahlenblüthen dreizähnig, Scheibenbliithen regelmässig, kurz vier- oder fünfzäknig, Staub- beutel meist geschwänzt, mit freien Anhängseln, an der Spitze mit kleiner blattartiger Endigung. Narben lineal, abgestutzt ohne Anhängsel. Haarkrone gewöhnlich aus Borsten gebildet. Blätter meist spiral ge- stellt und ganz; Scheiben- und Strahlenblüthen gleichfarbig.
1. Inula Helenium L.
TRIBUS II. Anthemideae Cass. Köpfchen mit Scheiben- und Strahlenblüthen versehen, oder die letzteren fehlend und dann alle zwittrig. Hüllkelch zwei- bis dreissigreihig ; gemeinschaftlicher Blüthenboden nackt oder spreublättrig. Strahlenblüthen weiblich, zungenförmig, dreizähnig oder ganzrandig, zuweilen verkürzt röhrenförmig, seltener fehlend. Scheibenblüthen röhrenförmig, kurz vier- oder ftinfzähnig, zwittrig. Staubbeutel ungeschwänzt, an der Basis oft stumpf. Narben an der Spitze gestutzt, ohne Anhängsel. Früchte an der Spitze kahl oder mit kronenförmigem oder kurz spreuigem Pappus versehen. Blätter spiral gestellt, häufig getheilt. Scheibenblüthen meist gelb, Strahlenblüthen gewöhnlich verschiedenfarbig.
2. Matricaria Chamomilla L.
3. Artemisia Absinthium L.
4. Artemisia maritima L. var. Stechmanniana Bess.
TRIBUS III. Senecionideae Less. Köpfchen mit Scheiben- oder Strahlenblüthen versehen oder die letzteren fehlend und dann alle zwittrig. Hüllkelch ein- bis zweireihig; gemeinschaftlicher Blüthenboden gewöhnlich nackt. Strahlenblüthen zungenförmig, weiblich, dreizähnig oder ganzrandig, oder verkürzt röhrenförmig, kurz vier- bis ftinfzähnig. Röhrenblttthen zwittrig. Staubbeutel am Grunde pfeilförmig, mit stumpfen oder spitzen Öhrchen, an der Sjntze mit einem Anhängsel versehen. Narben an der Spitze oft ein Anhängsel tragend oder abgestutzt und bärtig. Haarkrone gewöhnlich aus Borsten gebildet. Blätter meist spiral gestellt; Scheiben- und Strahlenblüthen gleichfarbig.
5. Tussilago Farfara L.
6. Arnica montana L.
TRIBUS IV. Cynareae Less. Köpfchen meist gleichblüthig. Hüllkelch vielreihig , Blätter oft an der Spitze trockenhäutig, dornig oder mit Anhängseln versehen; gemeinschaftlicher Blüthenboden mit Borsten oder geschlitzten Bracteen besetzt. Blumenkrone tief fünftheilig. Antheren geschwänzt mit verwachsenen Anhängseln. Narben meist kurz, stumpf, ohne Anhängsel. Haarkrone borstig oder schmal spreublättrig, meist einreihig. Blätter spiral gestellt, oft dornig; Rand- und Strahlenblüthen gleichfarbig.
7. Cnicas benedictus L.
TRIBUS V. Cichorieae Spr. Köpfchen gleichblüthig. Blumenkrone zungenförmig, an der Spitze fünfzäknig. Staubbeutel an der Spitze mit Anhängseln versehen, am Grunde pfeilförmig, die benachbarten Lappen zweier Staubbeutel mit einander verwachsen, ungeschwänzt. Narben dünn, stumpf oder spitzlich. Milchsaftführende Kräuter mit spiral gestellten Blättern; Blüthen meist gelb.
8. Taraxacum officindle Web.
9. Lactuca virosa L.
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INULA Linn.
Köpfchen lieterogam, gewöhnlich mit Strahlenbliithen versehen, die Mittelblüthen zwittrig, jene weiblich. Hüllkelch halbkugelig oder glockenförmig mit mehrreihigen, dachig deckenden Blättern. Gemeinschaftlicher Blüthenboden flach oder convex, kahl, oft etwas wabig vertieft. Strahlenbliithen zungenförmig, dreizähnig, gewöhnlich verlängert; Randblüthen röhrenförmig, kurz fünfzäknig. Staub- beutel pfeilförmig, mit langen, getrennten, haarförmigen oder verästelten Schwänzen, an der Spitze mit einem blattartigen Anhängsel. Griffeläste lineal, leicht zusammengedrückt , oben etwas breiter, stumpf. Früchte rundlich mit 4 — 5, mehr oder weniger oder kaum vortretenden Rippen. Federkrone haarförmig, 1 — oo-reihig, Strahlen oft rauh. — Ausdauernde Kräuter, meist mit mehr oder weniger reichlicher, oft zottiger und drüsiger Bekleidung. Blätter ganz, spiralgestellt, selten zu einer bodenständigen Grund- rosette zusammengedrängt. Köpfchen einzeln oder häufiger zu rispigen Blüthenständen vereint. Blüthen fast stets gelb.
Ungefähr 60 Arten in der alten Welt.
Inula Helenium L.
Tafel 1.
Stengel aufrecht; Blätter eiförmig oder oblong-eiförmig, gestielt, die oberen sitzend, unregelmässig gezähnt, unterseits weiss-filzig, oberseits von einfachen angedriickten Haaren rauh; Köpfchen in end- ständigen , armbliithigen und dann einfachen , oder mehrblüthigen und dann zusammengesetzten Trauben, gross, die endständigen lang gestielt, die seitenständigen sitzend oder kurz gestielt; Strahlenblüthen ver- längert, den Griffel weit überragend; Früchte fast stielrund, Rippen nicht hervortretend.
Inula Helenium Linn. Spec. pl. ed. I. 881 ; Gürtn. Carp. II. t. 170; Hayne, Arzneigew. VI. t. 45; Lam. Encycl. t. 680; Nees , Düsseid. Pß. t. 240; Guimp. und Schlecht. II. t. 191 ; Woodv. Med. t. 26; Fl. Dan. V. t. 728; Svensk Bot. I. t. 57 ; Plenck Icon. t. 624; Engl. Bot. t. 1546 ; DC. Prodr. V. 463 ; Koch , Syn. 358 und viele andere deutsche Floren; Syme, Engl. Bot. V. t. 766 ; Steph. and Church. Med. pl. t. 49 ; Reichb. Fl. Germ. XVI. t. 921 ; Bentl. and Trim. t. 150; Köhler , Mediz. Pf. II. t. 90; Berg u. Schmidt , Darst. u. Beschr. t. XXII; Led. Fl. Ross. II. 500; Bert. Fl. Ital. 267 ; Godr. et Gren. Flore de Fr. II. 173; Willk. et Lange , Fl. Hisp. II. 46 ; Boiss. Flor. or. III. 186; Franch. et Sav. Flor. Jap. I. 230 ; Asa Gr. Syn. Fl. North Am. I (2). 236 ; Fluch, and Hanb. Pliarmacogr . 340 ; Fluch. Pharmacogn. 440.
Corvisartia Helenium Mer. Pl. Par. ed. II. 261 ; Cass. Encycl. X. 572.
Alantwurzel, grosser Alant, Helenahr aut, grosser Heinrich, Olaf, Oltwurz; französisch: Racine d’aunee; englisch: Elecampane (aus Enula Campana entstanden).
Die Keimpflanze bildet im ersten Jahre eine wenigblättrige Grundrosette und eine kräftige, senk- recht absteigende, spärlich verästelte, aussen gelblichbraune, innen weisse Pfahlwurzel; erst im zweiten Jahre kommt die Pflanze zum Blühen. In den Achseln der Grundblätter bilden sich im ersten Jahre Seitensprosse, die im nächsten zu fingerdicken Rhizomen heranwachsen und im folgenden Blüthensprosse treiben. Jene sind im Äusseren den Wurzeln ähnlich, durch die fast stengelumfassenden Ansatzlinien der Grundblätter erscheinen sie geringelt.
Die Wurzel wird schliesslich bis 20 cm lang und nahe den Rhizomen bis 6 cm dick, sie ist verästelt und entwickelt bis 30 cm lange 1,5 — 2,5 cm im Durchmesser haltende, stielrunde Seitenwurzeln, die sonst auch aus dem Grunde der Rhizomstücke entspringen.
Der Stengel ist aufrecht, kräftig, kantig, unten rauhhaarig und schärflich, oben weissfilzig und weich, gewöhnlich ästig, die Äste sind aufstrebend, seine Höhe beträgt 1 — 1,5, selten bis 2 m.
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Die Blätter sind spiralig gestellt, runzlig, oberseits mit kurzen, spitzen, am Grunde ein wenig ver- dickten, einfachen Haaren bestreut und desshalb rauh, unterseits von zahllosen, schlaffen, gewundenen Haaren dicht weissfilzig und weich anzufiihlen; die Grundblätter sind gewöhnlich 30 — 40, zuweilen bis 100 cm lang und 8 — 12, zuweilen bis 20 cm breit, von Form oblong-eiförmig, spitz, ziehen sie sich am Grunde in den die Hälfte der Länge messenden kräftigen, gestreiften, oben rinnigen, am Grunde breit scheidigen Blattstiel zusammen, am Rande sind sie unregelmässig gekerbt oder gezähnt ; die Stengelblätter haben einen kürzeren Stiel, sind erheblich kürzer und kleiner, die obersten sind sitzend, halbstengel- umfassend und am Grunde oft abgerundet.
Gesammtbliith enstand traubig mit Gipfelköpfchen, das sich zuerst entwickelt, bei kräftigeren Exemplaren meist rispig, wobei die Seitenstrahlen Neigung zur Wickelbildung verrathen; Endköpfchen der Haupt- und Seitenstrahlen oft lang-, die übrigen meist kurzgestielt von zwei Zweigvorblättern be- gleitet.
Die Blüthenköpfch en sind endständig, den Zweig bescbliessend, einzeln, gross, aufrecht, poly- gamisch, mit Strahlen- und Scheibenblüthen. Der Hüllkelch ist halbkugelig, dacbziegelig, vielblättrig; die äusseren Blätter sind lockerer, eiförmig spitz, zuweilen die äussersten laubig, die inneren lanzettförmig oder fast spathelförmig, aufrecht, trockenhäutig; beide Gestalten werden durch Zwischenformen verbunden. Der gemeinschaftliche Blüthenboden ist fast flach, kahl, nach Abfall der Früchte mit eckigen, kurz gerandeten Grübchen bedeckt.
Die Strahlenblüthen sind zahlreich, weiblich; der Fruchtknoten ist fast stielrund, leicht ge- krümmt, oben etwas angeschwollen gerandet, mit borstigem, aus rauhen Haaren zusammengesetztem, schmutzig weissem Pappus, der so lang wie die gekrümmte Blumenkronenröhre ist; die Zunge ist schmal lineal, dreimal länger als die Röhre, dreizähnig, gelb. Der Griffel überragt die Blumenkronenröhre ein wenig. Die Narben sind an der Spitze etwas verbreitert, stumpf, auf dem Rücken mit sehr kurzen Papillen bekleidet.
Die Scheibenblüthen sind zwittrig. Der Fruchtknoten ist gerade, stielrund, der Pappus wie bei voriger, aber fast von der Länge der röhrenförmigen, oben etwas erweiterten, fünfzähnigen , gelben Blumenkrone. Staubgefässe 5, der Mitte der Blumenkrone angeheftet; die Staubfäden sind ober- halb der Mitte gegliedert; die Staubbeutel überragen die Krone nicht; sie sind bis auf die eiförmige, stumpfe Spitze und die dornig gesägten Schwänze mit einander verklebt. Der Pollen ist elliptisch, stachlig mit drei Meridianfurchen, in deren Mitte das kleine Fensterchen liegt. Der Griffel ist fadenförmig, am Grunde verdickt, so lang wie die Krone. Die Narben sind schmal, an der Spitze etwas verbreitert, stumpf, aussen und an den Rändern innen kurz papillös.
Die Früchte sind 4 mm lang und haben 1 mm im Durchmesser; sie sind fast stielrund, gestreift, kahl, braun, von fast doppelt so langem Pappus gekrönt. Der Keimling ist gerade, das Würzelchen ist halb so lang wie die halbcylindrischen Keimblätter.
Die Pflanze wächst im westlichen und südlichen Norwegen, in Süd-Schweden, England und Schott- land, Irland, in Portugal und Spanien, Frankreich, Deutschland, der Schweiz, Italien, Ungarn, der Balkan- halbinsel bis zum Olymp, ferner von Finnland durch ganz Russland und Sibirien bis zu den chinesischen Grenzprovinzen und lässt sich bis nach Japan verfolgen; in Persien erreicht sie die süd-östliche Grenze, denn im Himalaya fehlt sie; in Nord- Amerika ist sie verwildert. In den südlicheren Gegenden bewohnt sie die höheren Gebirge, in den nördlichen Theilen von Europa zieht sie den Seestrand vor. Da sie schon seit uralten Zeiten als Medicinpflanze geschätzt wurde, so ist sie durch die Cultur auch in Europa viel- fach verbreitet worden und dürfte an vielen Orten Deutschlands nur als verwildert anzusehen sein.
Sie blüht im Juli, August und September.
Medicinische Verwendung finden die im Herbste oder im ersten Frühjahre gesammelten unterirdischen Theile wild wachsender oder cultivirter Pflanzen, die man von den dünnsten Wurzeln und den Blattresten befreit, häufig auch der Länge nach in Stücke zerschneidet und trocknet. Die Droge ( Radix Helenii , Radix Inulae, Alantwurzel ) besteht also aus Rhizomstücken und dickeren Wurzeln.
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Erklärung der Abbildungen.
Fig. A. Blüthenstand, Naturgrösse.
Fig. B. Wurzelblatt in halber Naturgrösse.
Fig. C. Bliithenköpfchen , Längsschnitt: a. Gemeinschaft- licher Bliithenboden ; b. Hüllkelch ; c. Strahlen- blüthen; d. Scheibenblüthen.
Fig. D. Strahlenblüthe , fast 2-fach vergrössert: e. Frucht- knoten ; /. Pappus ; (/. Kronenröhre ; k. Narben.
Fig. E. Scheibenblüthe, fast 3-fach vergrössert: e, f, ff, k wie bei voriger.
Fig. F. Scheibenblüthe, Längsschnitt ungefähr 4-fach ver- grössert : e , f, g, k wie bei voriger ; h. Staubge- fässe; i. Griffel.
Fig. G. Staubgefässröhre, c. 8-fach vergrössert.
Fig. II. Einzelnes Staubgefäss, c. 8-fach vergrössert.
Fig. I. Pollenkörner trocken.
Fig. K. Dieselben im Wasser.
Fig. L. Oberes Ende des Griffels mit den Narben, G-fach vergrössert.
Fig. M. Frucht, natürl. Grösse.
Fig. N. Dieselbe, reichlich 3-fach vergrössert.
Fig. O. Dieselbe, Längsschnitt parallel den Keimblättern n ; m. das Würzelchen.
Fig. P. Dieselbe, Längsschnitt senkrecht auf dieKeimblätter. Fig. Q. Dieselbe, Querschnitt.
MATKICARIA Linn.
Bliithenköpfchen keterogam, strahlend, Strahlenblüthen weiblich meist fruchtbar, einreihig; Mittel- blüthen zwittrig, sehr viele. Gemeinschaftlicher Hüllkelch halbkugelig, aus wenigreihigen , dachziegelig deckenden, häutig gerandeten Blättern zusammengesetzt, die äusseren kürzer. Gemeinschaftlicher Bliitken- boden nackt, kegelförmig, oft hohl. Randblüthen zungenförmig, fast ganzrandig ; Mittelblüthen regelmässig, vier- oder fiinfzähnig, röhrenförmig. Staubbeutel am Grunde stumpf; Narbenschenkel der Zwitterblütlie gestutzt, mit einem Barte von Fegehaaren. Frucht oblong, oft gekrümmt, gestutzt, auf der Innenseite mit 3—5 mehr oder weniger vorspringenden Rippen, Pappus fehlend oder ein Krönchen darstellend. — Ein- jährige oder ausdauernde Kräuter von zuweilen starkem Gerüche. Blätter spiral gestellt, fiedertheilig mit linealen Abschnitten. Blüthenköpfchen einzeln am Ende der Zweige, gestielt, meist doldentraubig ver- einigt. Strahlenblüthen weiss, Mittelblüthen gelb. Früchte kahl, glatt und quer gerunzelt, zuweilen drüsig.
Ungefähr 20 Arten, von denen die Hälfte in der nördlich gemässigten Zone der alten Welt, einige von ihnen auch in Amerika und in den übrigen Theilen der Erde verwildert, die andere Hälfte in Süd- Afrika.
Matricaria Chamomilla L.
Tafel 2.
Stengel aufrecht, Äste doldentraubig; Blätter doppelt fiederspaltig mit linealen, stachelspitzigen Fieder- abschnitten, wie der Stengel kahl; Blätter des gemeinschaftlichen Hüllkelches oblong, stumpf, am Rande weisshäutig; Strahlenblüthen dreimal länger als der Hüllkelch; Früchte meist ohne Pappus.
Matricaria Chamomilla L.tSpec. pl. ed. I. 891; Allione , Fl. Pedem. I. t. 192; Drev. Bild. IV. 124; Svensk Bot. I. 50; Plenck , Icon. 617 ; Engl. Bot. XVIII. 1232; Hayne , Arzneigew. I. 3; Schkuhr, Handb. III. 253b; Curt. Fl. Lond. I. 142; Nees , Düsseid. Pß. t. 241; Fl. Dan. X. t. 1764; Gaimp. et Schlecht. II. t. 122; Kill. Offiz. 266 ; Baxt. Br. Bot. V. 355 ; Reichb. Fl. Germ. XVI. t. 997 ; Koch , Syn. 377 und viele deutsche Floren ; Sy me, Engl. Bot. V. t. 719 ; Bentl. and Trim. Med. pl. t. 155; Berg u. Schmidt , Darst. u. Beschr. XXJ.IV. Köhler , Mediz. Pf. t. 64; Godron et Gren. Fl. de Fr. II. 148 ; Ledeb. Fl. Ross. II. 545; Bert. Fl. Ital. IX. 350; Willk. et Lange , Fl. Hisp. II. 92; Boiss. Fl. Orient. III. 323; Ilook.fil. Fl. Br. Ind. III. 315; Asa Gr. Syn. Fl. North Am. I (2). 364; Flück. and Hanb. Pharmacogr. 345; Flück. Pharmacogn. 7 85.
Chrysanthemum Chamomilla Patze , Elkan et Meyer , Fl. Prov. Preuss. 135.
Chamomilla officinalis C. Koch in Linnaea X VII. 45.
Kamille , Chamille , Mägdeblumen; französisch; Camomille d' Ällemagne ; englisch; German camomile.
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Die Pflanze ist einjährig. Aus der kurzen, dünnen, sehr reichlich mit fasrigen, braunen Seitenwurzeln besetzten Pfahlwurzel erhebt sich der unten einfache, oben verästelte Stengel; nicht selten treten aber die Äste bereits aus den unteren, dichter gestellten Blättern hervor, sodass aus einer Wurzel mehrere Stengel hervorzugehen scheinen. Der Stengel ist 20 — 40 cm hoch und am Grunde 2 — 4 mm dick, krautig, aufrecht, fast stielrund oder mehr oder weniger deutlich fünf kantig, gestreift, lebhaft grün, am Grunde bräunlich, kahl, die Verästelung ist doldentraubig.
Die Blätter sind spiralig gestellt, sitzend, im Umrisse oblong oder lanzettlich, kahl, die unteren dreifach, die mittleren zweifach, die oberen einfach fiedertheilig ; die Fiederabschnitte sind ein wenig fleischig, feinstachelspitzig.
Die Blüthenköpfchen sind endständig, einzeln an den Ästen, strahlend, aufrecht, langgestielt, doldentraubig zusammengestellt, wobei sich das Köpfchen der Hauptaxe zuerst entwickelt; Stützblättchen einzeln, linealisch, zurückgekrümmt, oder fehlend. Der Hüllkelch wird aus vielen elliptischen oder breit linealen, stumpfen oder spitzen, grünen, am Rande trockenhäutig- weissen , in etwa 3 Reihen dachziegelig deckenden Blättchen zusammengesetzt.
Der Blüthenboden ist hohl, nackt und halbkugelig, er wächst während der Blüthezeit kegelförmig aus ; nach dem Abfallen der Früchte ist er feinwabig.
Die Strahlenblüthen, 12 — 18 an Zahl, sind weiblich, zuerst ausgebreitet, dann zurückgeschlagen, weiss.
Der Fruchtknoten ist cy lindrisch, etwas gekrümmt, nach dem Grunde verschmälert, leicht ge- streift, 1 mm lang, kaum 0,5 mm breit. Der Pappus fehlt. Die Blumenkrone ist zungenförmig; die Röhre von der Länge des Fruchtknotens ist mit vereinzelten, gestielten, sehr kleinen Drüschen bestreut, sonst kahl; die Zunge ist oblong lanzettlich, am Ende gestutzt, stumpf dreizähnig, viernervig. Staub- gefässreste sind nicht sichtbar. Der Griffel ist fadenförmig, am Grunde zwiebelig verdickt, 2 mm lang; die Narbenschenkel spreizen und sind ein wenig nach unten gekrümmt, am Ende gestutzt.
Die Scheibenblüthen sind sehr zahlreich, 2 mm lang. Die Blum en kröne ist unten röhrenförmig, oben glockig, kurz fünflappig mit zurückgekrümmten Lappen, gelb, hier und da mit gestielten Drüschen, besonders auf der Röhre bestreut. Die Staubgefässe sind am Grunde der Glocke befestigt, die Beutel zu einer 0,5 mm langen Röhre verklebt, am Grunde pfeilförmig, an der Spitze mit einem dreieckigen stumpflichen Anhängsel versehen. Der Pollen ist ellipsoidisch mit 3 schwachen Längsfurchen versehen und stark bestachelt. Der Griffel ist fadenförmig, am verdickten Grunde mit einem Nektarkragen ver- sehen; die Narbenschenkel spreizen und sind etwas gekrümmt, am Ende gestutzt mit einem Barte von Fegehaaren besetzt, sie sind besonders am Rande auf der Innenseite papillös.
Die Frucht ist kaum 2 mm lang, fast ellipsoidisch, leicht gekrümmt, walzigrund oder leicht zusammen- gedrückt, an der Basis verschmälert, oben schief gestutzt, ohne Pappus, seltener mit einem Krönchen ver- sehen (var. coronata), nach innen zu mehr oder weniger deutlich fünfrippig, kahl, braun.
Der Same füllt das Fruchtfach völlig aus, das Würzelchen des Keimlings ist dreimal kürzer als die Keimblätter.
Die Kamille wächst auf Äckern und an wüsten Plätzen von Finnland und dem mittleren Schweden durch ganz Mitteleuropa bis in die Mittelmeerländer, ist aber in der Türkei und Griechenland minder häufig; ausserdem findet sie sich in dem uralischen Sibirien, in den Kaukasusländern, Kleinasien, Persien, Afghanistan bis nach der oberen Ganges-Ebene und dem Pandschab ; auch auf den Canarischen Inseln scheint sie einheimisch zu sein. In Nord-Amerika ist sie in den Staaten New-York und New-Jersey eingebürgert.
Die Pflanze liefert die Flores Chamomillae oder Kamillen , welche in den Preislisten der Drogen- häuser, zum Unterschiede von den Chamomillae llomanae auch als Flores Chamomillae vulgaris bezeichnet werden. Die Droge besteht aus dem noch mit einem Theile ihres Stieles versehenen Blüthenköpfchen der Pflanze. Der Geruch der Droge rührt von dem zwischen Membran und Cuticula der kleinen Drüsen- haare, welche an der Aussenseite des Fruchtknotens und der Blumenkrone sitzen, ausgeschiedenen äthe- rischen Öle her.
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Erklärung der Abbildungen.
Fig. A. Spitze eines blühenden Stengels, natürliche Grösse.
Fig. B. Hüllkelch von unten gesehen, 3 mal vergrössert.
Fig. C. Ein Blüthenköpfchen im Längsschnitte, 3 mal ver- grössert: a. der gemeinschaftliche Blüthenboden ; b. der Hüllkelch; c. weibliche Strahlenblüthen ; d. zwittrige Scheibenblüthen.
Fig. B. Der kegelförmige, nackte, gemeinschaftliche Blü- thenboden, 3 mal vergrössert.
Fig. E. Eine Strahlenblüthe, 5 mal vergrössert : e. der Frucht- knoten; g. die Blumenkrone; l der Griffel.
Fig. F. G. Scheibenblüthen, 12 mal vergrössert: i. die Staub- beutelröhre; m. die Narben.
Eine Scheibenbliithe im Längsschnitte, 15 mal ver- grössert: f. die Samenanlage; h. die Staubfäden; k. die Anhängsel der Staubbeutel.
Fig. I. Die Staubbeutelröhre aufgeschnitten und ausge- breitet von innen, 25 mal vergrössert.
Fig. K. Pollenkörner, das obere trocken, die unteren in Wasser, 300 mal vergrössert.
Fig. L. Die Frucht, natürliche Grösse.
Fig. M. Dieselbe, 12 mal vergrössert.
Fig. N. Dieselbe im Längsschnitte : n. Fruchtschale; o. Wür- zelchen; p. Keimblätter.
Fig. O. Dieselbe im Querschnitte.
Fig. H.
ARTEMISIA Linn.
Blüthenköpfchen heterogam, nicht strahlend ; Randblüthen weiblich, fruchtbar; Mittelblüthen zwittrig, fruchtbar oder unfruchtbar, oder homogam, sämmtliche Bllithen zwittrig und fruchtbar. Gemeinschaftlicher Hüllkelch eiförmig, oblong oder breitglockig, aus vielen dachziegelig deckenden, wenig- oder mehrreihigen, am Rande häutigen Blättchen aufgebaut, die äusseren kleiner. Gemeinschaftlicher Blüthenboden flach gewölbt oder halbkuglig, nackt oder behaart. Blumenkrone der Randblüthen röhrenförmig, dünn, kurz zwei- bis dreispaltig, Mittelblüthen am Grunde röhrenförmig, oben mehr oder wenig glockig, oder keulen- förmig, kurz fünfspaltig. Staubbeutel am Grunde stumpf. Narbenschenkel der Zwitterblüthen an der oft verbreiterten Spitze gestutzt mit einem Barte von Fegehaaren. Früchte drehrund oder zusammengedrückt, zweirippig oder schwach gestreift, gerade oder gekrümmt, an der Spitze gestutzt, ohne Pappus oder von einem kurzen Ringe gekrönt. — Kräuter oder Halbsträucher , nicht selten grau behaart, stark riechend. Blüthenköpfchen klein, aufrecht oder hängend, selten grösser, traubig oder rispig oder geknäult, nicht doldentraubig. Blumenkronen gelb oder bleich. Früchte kahl oder behaart.
130 — 200 Arten in der nördlich gemässigten Zone beider Hemisphären, besonders in den Steppen ver- breitet; 3 — 4 Arten im aussertropischen Süd- Amerika und auf den Sandwich-Inseln.
Artemisia Absinthium L.
Tafel 3.
Ausdauernd, Blätter der Grundrosette des ersten Jahres langgestielt, dreifach fiedertheilig, mit schmal- lanzettlichen Zipfeln, seidenhaarig; Blüthenstand rispig ; Blüthenköpfchen heterogam, Blüthenboden behaart ; Randblüthen röhrenförmig, weiblich, Blumenkrone kurz dreitheilig; Frucht schwach gestreift.
Artemisia Absinthium L. Spec. plant, ed. I. 848; Plenck , Icon. 608 ; Svensk Bot. II. 106 ; Engl. Bot. XVIII. t. 1230; Hayne , Arzneipfl. II. t. 11; Flor. Dan. X. t. 1654; Nees , Düsseid. Pfl. t. 235; Woodv. Med. Bot. I. t. 22; Guimp. et Schlecht. II. t. 197 ; Kth. Off. 271 ; DC. Prodr. VI. 125 ; Baxt. Br. Bot. V. 339 ; Dietr. Fl. Bor. IX. t. 633; Steph. and Church. Med. pl. t. 58. ßg. 2; Syme , Engl. Bot. V. t. 731 ; Rchb. Fl. Germ , t. 1029 ; Bentl. and Trim. Med. pl. t. 156 ; Berg u. Schmidt , Darst. u. Beschr. t. XXI Ih ; Köhler , Medizinalpß. t. 68 ; Koch , Syn. 365 und viele andere deutsche Floren; Ledeb. Fl. Ross. II. 598 ; Godr. et Gren. Fl. de Fr. II. 126; Willk. et Lange , Fl. Hisp. II. 68; Bert. Fl. Ital. IX. 123; Boiss. Fl. or. III. 373; Hook.ßl. Fl. Br. Ind. III. 328; Asa Gr. Syn. Fl. North Am. I (2). 370; Fluch. Pharmacogn. 647.
Wermut, Wermte, Wurmkraut , Else, Grabekraut, bitterer Beifuss ; französisch: Absinthe commune, grande absinthe ; englisch: Wormwood.
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Die Keimpflanze erzeugt im ersten Jahre eine Grundrosette von spiral gestellten zahlreichen Blättern und gelangt erst im zweiten Jahre zur Blüthe. Während der Blüthenspross sich entwickelt, bilden sich aus den Achseln der Grundblätter mehrere neue Rosetten, welche wiederum im nächsten Jahre blühen; diese werden durch eine kräftige Pfahlwurzel aneinander gefesselt und es entsteht der Körper, den man früher eine vielköpfige Wurzel nannte.
Die Wurzel ist 15 — 20 cm lang und darüber, bis kleinfingerdick, mit vielen Seitenwurzeln versehen, aussen blassbraun, innen weiss.
Die Blätter der Grundrosette sind sehr langgestielt, am Grunde scheidig die Axe umfassend, drei- fach fiedertheilig, mit schmallanzettlichen, spitzen Zipfeln, sie sind seidenhaarig besonders auf der Rück- seite, weissgrau.
Der Stengel ist aufrecht, gerade oder wenig gekrümmt, unten einfach, oben rispig, am Grunde ver- holzend, fast stielrund, längsgestreift, unten mattgrau, oben silbergrau-seidig behaart, 0,30 — 1,30 cm hoch, an der Basis 3 — 6 mm im Durchmesser ; die Stengelblätter sind kurz gestielt oder sitzend, doppelt, dann einfach fiedertheilig, die oberen einfach; die kleineren Fiederabschnitte sind spitz, die grösseren stumpf, sonst von der Natur der Grundblätter. Nach der Fruchtreife stirbt der Stengel bis auf den Grund ab.
Der Blüthenstand ist eine mehr oder weniger zusammengezogene Rispe. Die Blüthenköpfchen stehen an den Ästen I. oder II. OrdnuDg traubig oder fast ährenförmig ; sie sind halbkuglig , übergeneigt oder nickend, fast einseitswendig, meist einzeln in der Achsel eines lanzettlichen oder spathelförmigen Deckblattes ; sie haben 3 — 4 mm im Durchmesser ; die Stiele sind so lang wie das Köpfchen oder kürzer, mit meist zwei transversal gestellten Stützblättchen.
Der Hüllkelch ist glockenförmig; die Blättchen sind dachziegelig deckend, die äusseren lanzett- förmig, spitz, am Rande trockenhäutig durchscheinend, die inneren oblong, stumpf, seidig behaart.
Der gemeinschaftliche Blüthenboden ist halbkugelig, mit zahlreichen weissen Spreuhaaren be- deckt, die etwas kürzer als der Hüllkelch sind.
Die wenig zahlreichen Ra ndbliit he n sind weiblich ; der Pappus fehlt; die Blumenkrone ist röhren- förmig, dünn, kurz ungleich zweispaltig, der Saum ist aufrecht; der Griffel ist fadenförmig, am Grunde verdickt, ohne Nektar absondernden Ring. Die Narbenschenkel sind hervorragend, schwach keulenförmig verdickt, stumpf, wenig spreizend.
Die Scheibenblüthen sind zwittrig, zahlreich, keulenförmig-glockig, mit kurzem, fünflappigem, zu- rückgekrümmtem Saume, kaum 2 mm lang, mit sehr kleinen Dräschen hier und da aussen bestreut; der Fruchtknoten ist 0,7 mm lang. Die Staubgefässe sind am unteren Viertel der Blumenkrone ange- wachsen; die Beutel sind zu einer 0,8 mm langen Röhre verklebt, mit dreieckigem spitzem Anhängsel am Ende, am Grunde sind sie stumpf; Pollenkörner ellipsoidisch, glatt mit 3 längsverlaufenden Furchen und 3 Poren. Der Griffel ist fadenförmig, wenig die Staubgefässe überragend; die Narbenschenkel sind breit, am Ende gestutzt, mit einem Barte von Fegehaaren besetzt, oben am Rande auf der Innenseite sind sie papillös, zuletzt zurückgekrümmt; der Nektar ausscheidende Ring an der Basis des Griffels fehlt: die Pollenübertragung geschieht durch den Wind.
Die Fr u eh t ist schmal, umgekehrt eiförmig, blassbraun, etwas glänzend, schwach gestreift, oben mit einer kleinen, kreisförmigen, flachen Scheibe abgeschlossen, ohne Pappus kaum 1 mm lang, 0,3 mm im Durchmesser.
Der Same füllt die Fruchtschale aus; das Würzelchen ist kürzer als die planconvexen Keimblätter.
Gegenwärtig hat der Wermut eine sehr weite Verbreitung in Deutschland und dem übrigen Mittel-Europa, wie in Süd-Europa; in Süd-Russland ist er häufig und geht von hier über Persien bis nach Afghanistan und Kaschmir; auch in Nord-Afrika wird er noch angetroffen. In Nord- Amerika findet er sich an der Hudsons-Bay und von Neu-Fundland bis in die nördlichen vereinigten Staaten verwildert. Es ist zweifel- haft, ob er in Deutschland ursprünglich heimisch war; er macht vielmehr den Eindruck, als ob er, der schon seit alten Zeiten kultivirt wurde, überall nur verwildert auftritt.
Medicinische Verwendung finden die im Spätsommer gesammelten und getrockneten blühenden Zweig- spitzen und Blätter der Pflanze als Herba Absinthii oder Summitates Äbsinthii. Die beste Droge liefern
Berg u. Schmidt, Officinelle Gewächse. 2
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die wildwachsenden Pflanzen. Grosse Mengen der Droge finden Verwendung zur Darstellung von Wermut- branntwein, welcher vorzüglich in Frankreich ein beliebtes Genussmittel ist, und zur Darstellung des ätherischen Wermutöls.
Erklärung der Figuren.
Fig. A. Ein Blatt der Grundrosette, natürliche Grösse.
Fig. j B. Eine Spitze des blühenden Stengels, natürl. Grösse.